Energie zum halben Preis – etwas Physik muss sein (2)
Wir brauchen kein Endlager für kerntechnische Abfälle, es gibt eine technische Lösung. Die noch enthaltene Energie kann dabei genutzt werden und für lange Zeit die Energieversorgung der Bundesrepublik komplett sicherstellen. Der zivil optimierte Reaktor baut sehr klein bei hoher Leistungsdichte. Solch ein Konzept findet sehr großen Zuspruch, wenn darüber informiert worden ist. Soweit die Zusammenfassung des Teil 1.
Heute wird es etwas anspruchsvoller, weil einige Grundsätze zur Kerntechnik angesprochen werden und Physik eher selten das Lieblingshobby ist. Ich bemüh mich, es einfach darzustellen. Das wird daher nicht allumfassend sein, aber für die wesentliche Fragestellung umfassend genug. Also etwas langsamer lesen. Es besteht kein Grund Angst zu haben.
Jeder radioaktive Zerfall bedeutet Energie. Energie, die genutzt werden könnte. Die radioaktive Energie, die noch auf diesem Planeten existiert, entspricht einem Planten-Erde, der vollständig aus Kohle besteht. Also 1 Kilogramm Planet Erde enthält ungefähr soviel Energie wie 1 Kilogramm Kohle. Wir haben also keine wirkliche Energieknappheit, sondern müssen nur neu denken, wie sich diese Energie schadlos für die Menschheit nutzen lässt. Und im Gegensatz zur Kohle eben auch frei von CO2.
Diese radioaktive Energie ist allerdings nicht gleichmäßig verteilt. Es gibt also einige Kilogramms, die enthalten sehr viel Energie, und andere enthalten so gut wie gar keine radioaktive Energie. Sehr viel Energie enthalten Lagerstätten mit radioaktiven Erzen und auch die Abfälle, die wir im Laufe von nunmehr rund 80 Jahren Nutzung der Kerntechnik angesammelt haben.
Grundsätzlich kennen wir drei Abläufe beim radioaktiven Zerfall. Zunächst einmal den natürlichen Zerfall, der für jeden radioaktiven Stoff eine spezielle Halbwertzeit ausweist. Stoffe mit kurzer Halbwertzeit strahlen dabei sehr stark, wobei diese Strahlung aufgrund des Zerfalls aber auch rasch abnimmt. Andere Stoffe zerfallen sehr langsam, dafür ist ihre Strahlung recht gering. Solch ein Stoffgemisch müsste sehr lange endgelagert werden, wobei kontinuierlich Zerfall stattfindet, also auch Energie freigesetzt wird.
Wenn nur genügend zerfallende radioaktive Stoffe eng beieinander liegen, lösen die radioaktiven Zerfälle weitere Zerfälle aus. Es entsteht eine Kettenreaktion, bei der der Zerfall insgesamt schneller abläuft und gleichzeitig mehr Energie in kürzerer Zeit zur Verfügung steht.
Die dritte Variante des Zerfalls ist die Kernexplosion in Form einer Kernwaffe (Atombombe). Dafür sind sehr spezielle Voraussetzungen erforderlich. Besonders hoch angereicherte Radionuklide, in kritischer Masse und auf komplexe Art zusammengebracht. Dieser Fall kann tatsächlich nur in Bomben auftreten und keinesfalls zufällig. Da ist die Physik dagegen.
Der erste Fall bringt keine genügende Leistungsdichte und der dritte Fall kann nicht in einem Kraftwerk passieren. Was ist denn dann in den Kraftwerken in Japan und der Ukraine passiert? Was ist da explodiert? Klare Antwort: keine Atombombe und auch keinerlei Kernexplosion. Das waren andere Stoffe, wie Wasserdampf, Wasserstoff und Graphit. Die sind überhitzt worden, und zwar so stark, dass die Anlage dafür nicht ausgelegt war. Dadurch wurden Teile der Anlage zerstört, Wasserdampf und Wasserstoff entspannten bzw. explodierten, Graphit geriet in Brand. Dadurch wurden weitere Teile der Anlagen zerstört und das radioaktive Material bei Explosion bzw. Brand mitgerissen und gelangten so in die Umwelt.
Warum musste das so sein? Weil bei der Entwicklung einer Reaktorlinie jeweils militärische Gedanken maßgeblich ausschlaggebend waren.
Für uns ist der zweite Fall, die angesprochene Kettenreaktion, der richtige Fall. Wenn wir keinen militärischen Hintergedanken haben, wird es eigentlich jetzt ganz einfach. Wir packen hinreichend viel radioaktives Material auf einen Haufen. Das hat die Natur in der Vergangenheit übrigens schon zahlreich vorgemacht. Es kommt zur Kettenreaktion und der ganze Haufen wird heiß , mitunter sogar sehr heiß. Die Natur brauchte dafür kein Reaktordruckgefäß. Diese natürlichen Reaktoren liefen über 1000de von Jahren ohne jegliche Sicherheitstechnik. Die entstandene Wärme wurde einfach in die Umgebung abgegeben ohne weiteren Nutzen.
Da wir die Energie nutzen wollen und uns klar ist, dass radioaktive Materialien nicht einfach als Haufen hingelegt werden sollten, nehmen wir also ein Behältnis, welches für die zu erwartenden Temperaturen hinreichend ausgelegt ist. Um diese Hitze nutzen zu können, muss sie vom Reaktor weg und hin zu einer Anlage transportiert werden, wo sie genutzt werden kann. Das wird dann in der nächsten Folge etwas ausführlicher aufgezeigt.
Wir arbeiten dabei im Bereich von 800 Grad Celsius bis 1000 Grad Celsius. Der radioaktive Brennstoff ist in diesem Temperaturbereich flüssig. Ein Druckgefäß ist nicht erforderlich, da im Bereich von Normaldruck gearbeitet wird. Wenn das Gefäß so gestaltet ist, dass die Wärme gut abgegeben werden kann, dann steht einer technischen Nutzung nur noch wenig im Weg. Ein Punkt ist dabei die Frage der Kühlung. Wasser sicher nicht, siehe oben im Text. Die Idee mit flüssigem Metall zu kühlen, ist nicht einmalig, aber bitte nicht mit Natrium. Blei scheint ideal. Blei ist in dem Temperaturbereich flüssig und damit geeignet die Wärme aufzunehmen und weg zu transportieren. Blei schirmt auch gut, ein netter Zusatzeffekt.
Je schneller der Bleikreislauf umläuft, um so schneller wird die entstandene Wärme abgeführt. Die Temperatur auf der Brennstoffseite sinkt (800 Grad Celsius). Durch diese Abkühlung kommen die radioaktiven Teilchen im Brennstoff näher zusammen, die Kettenreaktion nimmt zu und die Leistung des Reaktors steigt. Umgekehrt, je langsamer der Bleikreislauf zirkuliert, um so weniger Wärme wird abgeführt und die Temperatur auf der Brennstoffseite steigt. Die radioaktiven Stoffe dehnen sich aus, der Abstand zwischen ihnen wird also größer, so dass die Kettenreaktion schwächer wird.
Im Extremfall kommt der Bleikreislauf zum Stillstand. Das bedeutet, dass keine Leistung abgerufen wird. Die Temperatur im Brennstoff steigt auf ca.1000 Grad Celsius. Dann halten sich Wärmeerzeugung durch radioaktive Kettenreaktion und Wärmeabfuhr über Luftkonvektion an der Außenwand des Reaktorgefäßes die Waage. Wärmer wird es dann nicht mehr. Die bisherigen Reaktoren befinden sich dann schon lange im Bereich der Kernschmelze, für die sie nicht ausgelegt sind.
Solch ein zivil optimierter Reaktor ist also auf Kühlung gar nicht angewiesen. Er benötigt eigentlich auch keine Sicherheitstechnik, schon gar nicht in der Form, wie sie bei den bisherigen Reaktoren zwingend war.
Wesentlich ist es also, einen Behälter zu haben, der die zu erwartenden Temperaturen gut verträgt, ohne Schaden zu nehmen und diesen so zu gestalten, dass die Wärme aus dem radioaktiven Zerfall gut an den Bleikreislauf abgegeben werden kann.
Das Blei transportiert die Wärme dann ab nach außerhalb des kerntechnischen Bereiches, wo dann eine beliebige Nutzung erfolgen kann. Stromerzeugung, Herstellung synthetischer Brennstoffe (Mobilität), Erzeugung von Wasserstoff usw.
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Von Volker Eyssen